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Backen auf der Burg

Doris Seul versammelte vor fast 30 Jahren Frauen aus einem Vollwertkurs beim Haus der Familie zur treuen Hausbackgenossenschaft um sich – Seither werden einmal im Monat bis zu 40 Kilo Brot auf einmal gebacken – Kommern, die Perle der Stadt Mechernich, ist in mehrfacher Hinwicht bemerkenswert

Beim „Einschießen“ der Teiglaibe in den von vor 1770 stammenden Burgbackofen von Kommern (von vorne): Doris Seul, Anne Zimmermann, Stefanie Krings und Angelika Weber. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Kommern – Nur, wer es als Kind gekannt hat, vermag es später blind wiederzuerkennen, das charakteristische Duftgemisch aus ausgebranntem Holzfeuer, Brotteig, heißen Backsteinen, und garenden Brötchen und Fladen. Alle vier Wochen samstags macht sich mit diesem einzigartigen Geruch weniger die Nostalgie als vielmehr zeitgemäße Geschäftigkeit im „Backes“ der Kommerner Burg breit.

Jedes Mal fünf, sechs Frauen aus Kommern und Umgebung, insgesamt übers Jahr 35 an der Zahl, bringen an diesen Back-Samstagen ihre zuvor zu Hause gemischten, gekneteten, ziehen gelassenen und in Form gebrachten Teiglaibe zu Burgherrin Doris Seul, einer Nachfahrin der herzoglich-arembergischen Bergbeamten und Burgherren Abels, ins ehedem hochherrschaftliche „Backes“.

Sie hat dann bereits um 8 Uhr im von vor 1770 stammenden Backofen eingeheizt. Punkt 11 Uhr werden die Laibe eingeschossen, d.h. mit dem Brotschieber auf die heißen Steine im Innern des Ofens geschoben: zuerst die größten Laibe und gröbsten Vollkornteige, zuletzt die Kleinbackwaren wie Brötchen, Hörnchen und Fladen. Insgesamt um die 40 Kilogramm Backgut sind es jedes Mal.

Die Umgebung ist altertümlich und etwas unwirklich, wenn man bedenkt, dass man sich nicht im LVR-Freilichtmuseum Kommern befindet, wie man vermuten könnte, sondern mitten in Kommern. Seit wann das „Backes“ in Betrieb ist, in dem sie nun schon seit fast 30 Jahren wieder für sich und ihre Bekannten bäckt, kann Doris Seul gar nicht sagen: „Auf jeden Fall schon vor 1770.“

Damals befand sich das „Backes“ noch außerhalb der Kernburg, möglicherweise in einem separaten Backhäuschen. Nachdem Doris Seuls Vorfahren die Burg 1807 von den Franzosen gekauft hatten, wurde der Backofen in den angebauten Ostflügel integriert. Bis wann auf der Burg gebacken wurde, weiß Doris Seul nicht. Ihr Vater Dr. Hermann Seul, 1907 in Kommern geboren, konnte sich jedenfalls nicht mehr daran erinnern, dass das „Backes“ in Betrieb war.

Das Erdgeschoss des Ostflügels, in dem sich der Backofen befindet, war Doris Seuls Kinderzimmer. Sie benutzte den mit einem prächtigen Luftzug durch den Burgkamin ausgestatteten Backofen als „Kühlschrank“: „Durch den permanenten Luftaustausch blieb alles wunderbar kalt da drin.“

Als sie 1984 aus Süddeutschland nach Kommern zurückkehrte, erinnerte sich Doris Seul schnell wieder an den alten Backofen. Die gelernte Chemieingenieurin war nämlich im Süden Mitglied einer dörflichen Frauen-Backgemeinschaft nach altem Vorbild gewesen. So etwas wollte sie auch in Kommern ins Leben rufen.

„Es ist nämlich so“, sagt Doris Seul, „dass man ein bestimmtes Quantum an Teig braucht, um überhaupt backen zu können.“ Ist zu viel Teig im Ofen, wird das Brot nicht gar. Ist aber zu wenig Brot im Ofen, dann bäckt die große Hitze (je nach Platz im Ofenbereich zwischen 150 und 300 Grad) schnell eine harte Kruste, unter der sich möglicherweise noch roher Teig befindet.

Um das Kommerner Burg-Backes effektiv betreiben zu können, so fand Doris Seul heraus, brauchte man das Ausgangsmaterial für etwa 36 Kilogramm Brot. Eine solche Menge Backwerk kann aber selbst eine große Familie nicht innerhalb eines realistischen Zeitraums bis zum nächsten Backen vertilgen. „Und nur einmal im Jahr zu backen und das Gebackene für den Verzehr einzufrieren, dazu hatte ich keine Lust!“

Also suchte – und fand – Doris Seul in Kommern und Umgebung Gesinnungsgenossinnen, denen etwas daran lag, in einem uralten Steinofen würziges Brot zu backen. Anne Zimmermann aus Mechernich, die seit 1984 schon mitmacht, bringt regelmäßig Dinkelbrote, Kartoffel-Wallnussbrot, Eifeler „Weck“ und Roggenmischbrote zum Backen auf die Burg.

Auch Stefanie Krings und Angelika Weber liefern ihr Backwerk regelmäßig im „Backes“ auf der Kommerner Burg ab. Die Backgenossinnen müssen zu Hause alles vorbereiten, was beispielsweise bei Sauerteigbroten zwei Tage in Anspruch nehmen kann. Auch beim Bestücken des Ofens gehen die Frauen Doris Seul schon malzur hand.

Das Befeuern des Ofens, die Überwachung des Backvorgangs (unterschiedliche Brote und Backwaren müssen zu unterschiedlichen Zeiten wieder herausgenommen werden) und das Leeren und Auskühlen des Backofens sind hingegen „Chefinnensache“. Viele der Frauen, die jetzt zu Doris Seuls Kommerner Backgenossenschaft gehören, waren einst Teilnehmerinnen eines Kursus für Vollwertkost beim Haus der Familie in Euskirchen. Doris Seul: „Dort haben wir uns direkt zum Backen auf der Bürg verabredet.“ 

Doris Seul benutzt zum Befeuern des Backofens übrigens keine „Schanzen“, also zu Bündeln gefügtes Astwerk, wie es früher in der Eifel üblich war. „Zum Schanzenmachen konnte man auch Kinder einteilen, die trockene Äste im Wald auflasen und zu Bündeln zusammenbanden.“ Doris Seul verwendet auch stärkeres Astholz, meist von den alten Obstbäumen ihres Burggartens.

Zur „Backgenossenschaft“ auf der Kommerner Burg gehörten im Laufe der Jahre insgesamt bis zu 35 Frauen gleichzeitig. Jeweils sechs oder sieben können an einem Backvorgang teilhaben. Doris Seul telefoniert die aktuelle Crew jeweils einige Tage vorher zusammen. Drei Stunden vor Eintreffen der Frauen beginnt für sie die schweißtreibende Arbeit im „Backes“. Sie befeuert den Ofen, entfernt schließlich die Glut mit speziellem Werkzeug, um dann um elf Uhr (dieser Zeitpunkt ist absoluter Pflichttermin für die Backgenossinnen) die sorgsam aufgereihten Brote „einzuschießen“.

Die ersten Brötchen und Fladen werden dann nach 20 Minuten wieder aus dem Ofen genommen. Selbst die dicksten Schwarzbrote brauchen kaum länger als eine Stunde. Dann ist der Backtag auf der Kommerner Burg vorbei.

pp/Agentur ProfiPress