Ausflug ins EL-DE Haus
Realschüler am Puls der Zeit: Klasse 9c aus Mechernich besucht Kölner EL-DE-Haus, die Stasigedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin und das Jugendgericht des Amtsgerichtes Euskirchen – Thema: Ausländerfeindlichkeit früher und heute
Mechernich – „Eigentlich dachte ich immer, Museen wären langweilig, aber das hier ist echt spannend“: Anna Reinecke ist vom Kölner EL-DE-Haus begeistert. Gemeinsam mit ihren 30 Klassenkameraden der 9c der städtischen Realschule im Feytal ist die Schülerin auf einer zeitgeschichtlichen Exkursion. Und zwar zum EL-DE- Haus, das seinen Namen den Initialen seines Bauherrn Leopold Dahmen verdankt.
Die Erkundung der 9c aus Mechernich findet aber nicht nur an diesem Tag, Anfang Januar 2015, im früheren Gestapo-Untersuchungsgefängnis in Köln statt. Die Reise in die Zeitgeschichte der Ausländerfeindlichkeit führte auch bereits ans Jugendgericht des Amtsgerichtes Euskirchen, wo die Schülerinnen und Schüler Rechtsprechung live erlebten.
Und demnächst geht es auf Klassenfahrt nach Berlin, wo unter anderem der frühere Stasi-Knast Hohenschönhausen und die Gedenkstätte für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft besichtigt werden sollen.
Migrationshintergrund
Die Klasse 9c der Realschule in Mechernich beschäftigt sich nicht von ungefähr mit dem Thema. „Wir sind eine Klasse mit Schülern, die im Alltag mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert wird, weil ein Teil der Schüler einen Migrationshintergrund hat“, sagte Mitschüler Roman Stikel bei einer Diskussionsrunde im EL-DE-Haus.
Klassenlehrerin Barbara Prawdzyk: „Wir haben da ganz offen drüber gesprochen. Schnell wurde klar, dass sich fast die ganze Klasse für dieses Thema interessiert und gerne auch gemeinsam darüber diskutiert.“
Also wurde zunächst der genannte Ausflug zum Amtsgericht Euskirchen organisiert, der den Schülern und Schülerinnen so gut gefiel, dass sie mehr Verfahren verfolgten, als ursprünglich geplant war. Wegen ihres ausgeprägten Interesses durften die Mädchen und Jungen sogar an üblicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Jugendgerichtsverhandlungen teilnehmen.
Nach dem Gerichtsausflug wurde im Politikunterricht das Thema Nationalsozialismus behandelt, und Barbara Prawdzyk bemerkte schnell, dass die Schüler größtenteils schon mal etwas von der menschenverachtenden Unrechtsdiktatur in Deutschland gehört hatten, aber kaum jemand etwas Konkretes damit anfangen konnte.
Die Klassenlehrerin schlug deshalb einen Ausflug in das Kölner EL-DE Haus vor, das von 1935 bis 1945 als Dienststelle und Gefängnis zum Inbegriff nationalsozialistischer Schreckensherrschaft am Rhein wurde. In diesem Haus wurden meist Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter gefangen gehalten, verhört und zum Teil auch gefoltert.
Hunderte ermordet
An den Wandinschriften der früheren Zellen konnten die Mechernicher Realschüler ablesen, dass manche Untersuchungshäftlinge statt ein paar Tagen Wochen und Monate festgehalten wurden. Im Tiefkeller des EL-DE-Hauses wurde brutal gefoltert, die Häftlinge wurden mit Schlägen, mit Schlagringen, Totschlägern und Gummiknüppeln sowie mit Tritten und Faustschlägen bearbeitet, um die gewünschten Aussagen zu erpressen. Hunderte wurden im EL-DE-Haus ermordet. Heute ist es ein NS-Dokumentationszentrum.
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9c aus Mechernich freuten sich, dass Schulleiter Willy Krause ihren Ausflug genehmigte, obwohl er wegen eines Kommunikationsproblems sehr kurzfristig und praktisch von einem Tag auf den anderen zustande kam. Prawdzyk wählte für den Besuch den Workshop „Jugend im Nationalsozialismus“. Der bestand aus einer Basisführung durch die Ausstellung und aus einem Besuch der zehn Zellen des Hausgefängnisses.
Am Ende des Workshops kam eine Phase, in der die Schüler in Gruppen aufgeteilt eigenständig sogenannte „Mystery Questions“ lösen sollten. Als Antwort wurden Geschichten zu verschiedenen Aspekten des Themas „Jugend im Nationalsozialismus“ eingespielt.
Anschließend wurde diskutiert. Jeder konnte eigene Erfahrungen und Eindrücke einbringen. „Unter dem Strich war es ein informativer, aber auch anstrengender Besuch für die 9c“, so Melanie Müller, Schülerin der 9c. Die Realschüler brachten eine Menge Anregungen zum Nachdenken mit nach Hause.
Tamina Neumann pp/Agentur Profipress