Aus Eifelern werden Siegertypen
4. Bürgermeisterkonferenz der Zukunftsinitiative Eifel mit Teilnehmer-Rekord – Entwicklung der Standortmarke Eifel macht Fortschritte – „Markt der Möglichkeiten“ zeigte Best-Practice-Lösungen für die Probleme der Zukunft
Nettersheim/Eifel – Eine erneute Steigerung erlebte die Bürgermeisterkonferenz, zu der die Industrie- und Handelskammer Aachen unter dem Dach der Zukunftsinitiative Eifel (ZIE) in das Holzkompetenzzentrum in Nettersheim eingeladen hatte. Mehr als 100 Vertreter von 52 Kommunen aus acht Eifelkreisen und sieben Wirtschaftskammern sowie aus der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (DG) waren in die nordeifeler „Bundeshauptstadt für Naturschutz und Biodiversität“ Nettersheim gereist, um sich den für die Region so wichtigen Themen Daseinsvorsorge und Entwicklung einer einheitlichen Standortmarke zu widmen. „Das ist eine überwältigende Resonanz“, freute sich Monika Frohn, die bei der IHK Aachen das Aktionsprogramm „Regionale Daseinsvorsorge“ koordiniert und die Teilnehmer begrüßte, bevor sie das Wort an Städteregionsrat Helmut Etschenberg, dem Präsidiumsvorsitzenden der ZIE, übergab.
Etschenberg sieht in der bedürfnisorientierten Gestaltung der Ortschaften im ländlichen Raum eine „sehr hohe Hürde“ und legte den Konferenzteilnehmern eindringlich einen Rundgang über den „Markt der Möglichkeiten“ im Foyer des Holzkompetenzzentrums ans Herz. Dort präsentierten zehn Regionen an zwölf Ständen Best-Practice-Beispiele der Daseinsvorsorge. „Hier werden Lösungen aufgezeigt für die eigenen Herausforderungen“, verwies Etschenberg auf die besonders gelungenen Beispiele, zu denen auch zwei vom Bundesministerium für Wirtschaft und Forschung ausgezeichnete Projekte des Kreises Euskirchen zählen: die Demografie-Initiative und die „Aktionswochen Generationen“.
Auch drei überregionale Kommunen hatten die weite Anreise in die Eifel in Kauf genommen, um in Nettersheim ihre außergewöhnlichen Projekte zu präsentieren. So informierte die Region Ostwürttemberg über ihre interkommunale Vereinskooperation mit dem Ziel, nicht durch Fusionen, sondern durch Kooperationen zum Erhalt und zur Verbesserung des Vereinsangebots beizutragen. Aus Wuppertal beteiligte sich das BreitbandConsulting.NRW-Team der Bergischen Universität Wuppertal, das in den für den Markt unwirtschaftlichen Kreisen als Ansprechpartner zur Verfügung steht, wenn es darum geht, „weiße Flecken“ zu schließen. Die weiteste Anreise hatte das Projektteam „Biberger Bürgerbus“ aus dem Landkreis München. Die ehrenamtliche Initiative unter dem Motto „Bürger fahren Bürger“ verbindet die 600 Einwohner aus fünf Dörfern montags bis freitags mit dem Gemeindezentrum und dem S-Bahnhof.
Ähnliche Hilfen zur Selbsthilfe stellten auch Initiativen aus der Eifel vor, so etwa die Dauner Nachbarschaftshilfe „Bürger für Bürger“, die älteren und hilfsbedürftigen Menschen den Verbleib in der gewohnten Umgebung ermöglicht oder der Dorfladen Wollersheim, ein vom Kreis Düren und der Leader-Region Eifel gefördertes Projekt, das von den Wollersheimer Bürgern in Eigenleistung realisiert worden ist.
Ebenfalls von weit her kam Jonathan Nausner von „Embassy“, einer Berliner Kommunikations- und Designagentur. Er berichtete in Nettersheim über den aktuellen Stand der Entwicklung einer Standortmarke Eifel mit dem Ziel eines noch erfolgreicheren Marketings des Eifel-Ardennen-Raums. „Das oft gezeichnete düstere Bild der Zukunft trifft nicht zu, die Eifel hat echte Stärken, aber noch sind die Akteure mehr oder weniger isoliert unterwegs“, sagte Nausner. Dem angeblichen Aussterben ländlicher Räume hielt er entgegen, dass sich immer weniger Familien Wohneigentum in Städten wie Köln leisten könnten. Einer Umfrage des Verbandes der Spardabanken zufolge wollten die meisten Menschen auf dem Land leben, so der Experte und verwies auf das prominente Beispiel der SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die mit Mann und Tochter in einem Dorf bei Mayen lebt und in einem Interview mit „Zeit online“ die Vorzüge des Landlebens preist. Ziel müsse sein, Perspektiven zu öffnen und eine „vorstellbare Zukunft“ anzubieten, so der Projektmanager. Die Eifeler zu „Siegertypen“ zu machen, zu „stolzen Schmieden ihres Glücks“, sei das Ziel der Standortmarke Eifel. Veröffentlicht werden die Ergebnisse dieses Prozesses am 3. November, gemeinsam mit der Verleihung des Eifel-Awards 2014. Bis dahin werden sich die beteiligten Experten noch mindestens einmal monatlich treffen, um einen Slogan zu entwickeln. Die Arbeit mit den Protagonisten vor Ort erlebe er ganz anders als erwartet, sagte Nausner im Gespräch mit der Agentur ProfiPress. „Die Eifeler sind nicht verschlossen, wie immer behauptet wird, ganz im Gegenteil, es geht lebendig und offen zu, und der Gemeinschaftssinn zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit.“
Aufmerksame Zuhörer hatte danach auch Wilfried Pracht, Bürgermeister der gastgebenden Gemeinde Nettersheim, der feststellte, sich „an vielen Stellen“ in Nausners Vortrag wiedergefunden zu haben. Pracht stellte die im Rahmen des Masterplans Nettersheim realisierten Entwicklungsziele im Dorfkern vor, sparte aber auch die noch offenen Baustellen nicht aus – „damit Sie sehen, dass immer noch viel zu tun ist.“ Sehenlassen konnten sich die bereits abgeschlossenen Projekte allemal, wie auch Helmut Etschenberg ankündigte: „Die Gemeinde Nettersheim hat eine Entwicklung gemacht, die Sie sich anschauen sollten.“ Aus ehemals leer stehenden und teils verfallenen Gebäuden im Ortskern wurden Vorzeigeobjekte wie das Literaturhaus Eifel, das Naturzentrum, die Biologische Station oder die in historischen Werkhäusern eingerichtete Taverne, in der Wanderer sich eine Brotzeit nach römischem Rezept zusammenstellen, Würstchen vom Holzkohlegrill sowie Speisen nach römischen Rezepten genießen können. Kurz vor der offiziellen Einweihung steht die Erneuerung des Bahnhofsumfeldes, „eigentlich eine originäre Aufgabe der Bahn“, so Pracht, „doch wenn es uns gelingt, damit rund 150 Menschen im Ort zu halten, hat sich die Investition schon in kurzer Zeit gelohnt.“
Nun, so Pracht, will sich das Leerstandsmanagement der Gemeinde vor allem den Nachkriegsbauten widmen, die in Zukunft mehr und mehr leer stehen würden. „Toll“ fand Dr. Joachim Streit, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, die Beispiele aus Nettersheim. „Hier wurden viele Probleme gelöst, die wir noch haben.“ Um diese anzugehen, wird er bald mit einer Delegation aus der Stadt Kyllburg nach Nettersheim kommen. Ganz im Sinne der Zukunftsinitiative Eifel, die den Dialog und intensiven Austausch fördert, um den Eifel-Ardennen-Raum voranzutreiben.
pp/Agentur ProfiPress