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Aus der Eifel in den Stasi-Knast

Vom Journalisten zum Spion – Peter Felten veröffentlicht seine Erlebnisse als Doppelagent im Kalten Krieg – Autobiographie mit Innenansichten zweier Stasi-Knaste

Schleiden-Gemünd – „Der Geheimdienst liebt den Verrat, aber nicht den Verräter!“ Den Ernst seiner Lage erkannte Peter Felten erst, als es schon zu spät war. Als Journalist bei der „Kölnischen Rundschau“ in Gemünd war er 1974, mitten in Zeiten des Kalten Krieges, vom Militärischen Geheimdienst der DDR angeworben worden und wurde sofort zum Doppelagenten als Spion für den Verfassungsschutz der Bundesrepublik Deutschland.

Gefängnis Hohenschönhausen: Hier saß der als Doppelagent enttarnte Eifeler Journalist und jetzige Buchautor Peter Felten in Untersuchungshaft. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress
Gefängnis Hohenschönhausen: Hier saß der als Doppelagent enttarnte Eifeler Journalist und jetzige Buchautor Peter Felten in Untersuchungshaft. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress

Als er fünf Jahre später in Ostberlin enttarnt wird, beginnt für den alleinerziehenden Vater der Albtraum: das Oberste Militärgericht der DDR verurteilt ihn zu zwölf Jahren Haft. Nach 19 Monaten kommt der Gemünder im Rahmen eines Austausches frei. Seine Erlebnisse hat der 71-Jährige nun in der Autobiographie „Doppelagent im Kalten Krieg – Träumer im Traumland DDR“ festgehalten. Das Buch (265 Seiten, ISBN 978-3-86933-117-1, 22 Euro) ist im Helio-Fachverlag für Zeitgeschichte in Aachen erschienen.

„Als Polizei-Reporter prädestiniert“

Zur Vorstellung des Buches hatte der Autor die Presse jetzt an einen „historischen Ort“ geladen: Im Parkrestaurant in Gemünd fand das letzte Treffen mit seinem Führungsoffizier vor der Verhaftung statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Peter Felten schon einige Jahre das spannende Leben eines Doppelagenten geführt. 1974 wurde dem Bild-Journalisten der „Kölnischen Rundschau“ die Pressetätigkeit für eine Ostberliner Agentur angeboten. „Als Polizei-Reporter hatte ich natürlich sofort auf dem Schirm, was das zu bedeuten hatte“, erzählt Felten.

Peter Felten 1978 als Oberleutnant bei einer Wehrübung für Journalisten auf dem Copiloten-Sitz eines Bell-UH-D1-Helikopters. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress
Peter Felten 1978 als Oberleutnant bei einer Wehrübung für Journalisten auf dem Copiloten-Sitz eines Bell-UH-D1-Helikopters. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress

Immerhin seien Journalisten sowohl durch ihren Zugang zu Informationen als auch durch ihre Verschwiegenheit im Umgang mit Informanten geradezu prädestiniert dazu, von Geheimdiensten angeworben zu werden.

Felten meldete die Vorgänge sofort dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz und wurde damit zum Agenten der bundesdeutschen Spionageabwehr, Deckname „Lese“. Als sich die angeblichen Ostberliner Pressevertreter schließlich tatsächlich als Geheimdienstler zu erkennen gaben, war aus dem ehemaligen Kölner Domchorknaben ein Doppelagent geworden.

Nach der Freilassung 1981: Peter Felten mit seiner Lebenspartnerin Irene Steffen. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress
Nach der Freilassung 1981: Peter Felten mit seiner Lebenspartnerin Irene Steffen. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress

Der Geheimdienst der DDR interessierte sich für alle militärischen Vorgänge im Raum Schleiden, vor allem für die geheimen Stabsrahmenübungen, die aus der Untertageanlage Mechernich zentral gesteuert wurden. „Oma ist gut angekommen“, lautete der Code für den Beginn der Übungen. „Hier steppte der Bär“ – spionagetechnisch gesehen „Die Eifel wäre ein Frontgebiet gewesen, wenn es zum heißen Krieg gekommen wäre“, erklärt Manfred Lang, Redakteurskollege und langjähriger Freund des Autors.

Der Verfassungsschutz wurde permanent über den Informationsaustausch auf dem Laufenden gehalten und griff auch hin und wieder ein, wenn bestimmte Informationen nicht den Weg über die Grenze machen sollten. „Dann habe ich einfach eine Seite aus den Unterlagen weggelassen“, erzählt der ehemalige Spion.

700 Seiten seiner Stasiakte kann Peter Felten 1996 in der Berliner Gauckbehörde einsehen. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress
700 Seiten seiner Stasiakte kann Peter Felten 1996 in der Berliner Gauckbehörde einsehen. Foto: Privat/pp/Agentur ProfiPress

Motiv: Demokratie und Patriotismus

Seine Motivation hatte idealistische Gründe und sicher war auch eine Portion Abenteuerlust dabei. „Peter Felten ist das, was man einen Patrioten nennt“, erklärt Manfred Lang die auch später noch erkennbar parteiische Haltung für die Bundesrepublik. Seine Spionagetätigkeiten waren jedenfalls nicht finanziell motiviert, kamen doch über die ganzen Jahre nur „Kleckerbeträge“ von insgesamt 15.000 D-Mark zusammen.

Peter Felten stellte seine Autobiographie „Doppelagent im Kalten Krieg“ gemeinsam mit seinem Verleger Dr. Karl-Heinz Pröhuber (Helios) und seinen Kollegen Jürgen Gräper und Manfred Lang vor Foto: Steffi Tucholke/pp/ProfiPress
Peter Felten stellte seine Autobiographie „Doppelagent im Kalten Krieg“ gemeinsam mit seinem Verleger Dr. Karl-Heinz Pröhuber (Helios) und seinen Kollegen Jürgen Gräper und Manfred Lang vor Foto: Steffi Tucholke/pp/ProfiPress

Am 16. August 1979 wurde Peter Felten in Ostberlin unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet. Beweismittel vor Gericht sind ein Stadtplan und ein Telefonbuch von Köln, in denen Peter Felten Standort und Telefonnummer des Bundesamtes für Verfassungsschutz einkreisen sollte. Drei Tage vor der Gerichtsverhandlung zwang ihm der Staatsanwalt ein Schuldanerkenntnis ab – nur damit habe er die Aussicht, irgendwann zu seiner Familie zurückkehren zu können. Was Peter Felten damals nicht wusste: Für Spionage konnte in der DDR die Todesstrafe verhängt werden. Erst nach der Wende erfuhr der Gemünder Journalist, dass in der Zeit seiner Inhaftierung drei der Spionage verdächtigten Stasioffiziere per Genickschuss hingerichtet worden waren.

Für Peter Felten begann stattdessen ein Leben hinter Gittern: „Ich trete in die Zelle. An der Stirnseite nackte Glasbausteine statt eines Fensters. Davor Tisch und Hocker. An der rechten Wand eine Holzpritsche. Rechts hinter der Tür Toilette und Waschbecken. Links nackte Wand. Ich bin in meinem neuen Zuhause.“

Buchvorstellung an historischem Ort: Im Parkrestaurant in Gemünd fand das letzte Treffen von Peter Felten (2. von rechts) mit seinem damaligen Führungsoffizier des Bundesamtes für Verfassungsschutz statt, bevor er in Ostberlin enttarnt und zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Foto: Steffi Tucholke/pp/ProfiPress
Buchvorstellung an historischem Ort: Im Parkrestaurant in Gemünd fand das letzte Treffen von Peter Felten (2. von rechts) mit seinem damaligen Führungsoffizier des Bundesamtes für Verfassungsschutz statt, bevor er in Ostberlin enttarnt und zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Foto: Steffi Tucholke/pp/ProfiPress

Nach 19 Monaten trugen die ständigen Bemühungen von Freunden und Politikern endlich Früchte. Peter Felten wurde gemeinsam mit acht weiteren Spionen im Austausch gegen die Ehefrau des Kanzlerspions Günter Guillaume und fünf weitere DDR-Spione am 19. März 1981 freigelassen. „Willkommen in der Bundesrepublik Deutschland“ steht auf einer Tafel am Straßenrand.

Zurück in der Heimat setzte Peter Felten sich unter anderem durch Interviews für die Freilassung seiner in Bautzen zurückgebliebenen Kameraden ein. 1984 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Er kehrte in seinen Beruf zurück und war von 1982 bis 1999 Redaktionsleiter der „Kölnischen Rundschau“ in Bergheim.

Albtraum von der eigenen Hinrichtung

Die Frage nach seinem „Verräter“ hat Peter Felten lange beschäftigt. Heute ist er sich fast sicher, den Maulwurf ausfindig gemacht zu haben. Der stellvertretende Leiter des Militärischen Abschirmdienstes wurde nach der Wende als Mitarbeiter der Ostberliner Stasi enttarnt. Er gab Einzelheiten der geheimdienstlichen Aktivitäten weiter und verriet alle hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter.

Peter Felten (2.v.l.) mit seinen Redaktionsleiter-Kollegen Rudolph Greuel (l.) und Jürgen Gräper (2.v.r.), der Redakteurin und Autorin Bruni Mahlberg-Gräper und Verleger Karl-Heinz Pröhuber. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress
Peter Felten (2.v.l.) mit seinen Redaktionsleiter-Kollegen Rudolph Greuel (l.) und Jürgen Gräper (2.v.r.), der Redakteurin und Autorin Bruni Mahlberg-Gräper und Verleger Karl-Heinz Pröhuber. Foto: Manfred Lang/pp/Agentur ProfiPress

Schockerlebnisse wie die Urteilsverkündung und auch die psychische Folter durch die Vernehmer versucht Peter Felten, der inzwischen zeitweise in einem kleinen Dorf im Südwesten Frankreichs lebt, in seiner Autobiographie „Doppelagent im Kalten Krieg – Träumer im Traumland DDR“ zu verarbeiten. Während die Leser von der unglaublichen Geschichte des Eifeler Journalisten gefangen genommen werden, konnte der Autor selbst sich durch das Schreiben von seinem schlimmsten Albtraum – der eigenen Hinrichtung – befreien. Im Rückblick würde er sich nicht noch einmal auf eine Spionagetätigkeit einlassen, denn immer noch hat er mit Selbstvorwürfen, vor allem in Hinblick auf die Sorge um seine damals 13-jährige Tochter, zu kämpfen. „Die Folgen waren so gravierend, dass selbst der Patriotismus es nicht rechtfertigen kann, dass ich damals mein Leben aufs Spiel gesetzt habe!“

Erste Lesung im KunstForum Eifel

Eine erste Lesung von „Doppelagent im Kalten Krieg“ findet am Freitag, 19. September, um 18 Uhr im KunstForumEifel (Dreiborner Straße 22 in Gemünd) statt. Peter Felten wird dort einige Passagen aus seiner Autobiographie vorlesen, während die Gäste dazu ein Glas Rotwein genießen dürfen. Der Eintritt ist frei. Informationen und Anfragen bei der veranstaltenden Buchhandlung Wachtel (Tel. 02444/914291 oder Email an buchwachtel@googlemail.com).

Steffi Tucholke/pp/Agentur ProfiPress