Anekdoten aus dem Autorenleben
Unterhaltsame Lit.Eifel-Lesung mit Arnon Grünberg – „Die Wirklichkeit gibt einem dauernd Geschenke“
Blankenheim-Ripsdorf – Arnon Grünberg wurde als „asoziales Element“ von der Schule verwiesen. Heute ist er ein erfolgreicher Journalist und Bestsellerautor, der in New York lebt und schon mit allen großen niederländischen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Der 43-Jährige bot dem Lit.Eifel-Publikum einen unterhaltsamen Abend mit seiner Lesung aus seinem neuesten Buch: „Der Mann, der nie krank war“. Der Roman spielt zu Zeiten des Irak-Kriegs.
Der Protagonist des Buches, Samarendra, ist ein ehrgeiziger junger Schweizer Architekt, der im Auftrag eines reichen Exil-Irakers eine Oper in Bagdad entwerfen soll. Der etwas naive Sam erwartet, mit allem Komfort empfangen zu werden, denn „wie er in der Zeitung gelesen hatte, war dort das Schlimmste so ziemlich vorbei“. Doch Sams Reise nach Bagdad verläuft völlig anders als geplant. Schon bei seiner Ankunft findet er in seinem Koffer nur fremde schmutzige Kleidung, die er anziehen soll. „Das Deine Kleidung! Anziehen!“, befiehlt ihm ein misstrauisch gewordener Offizier. Immer mehr breche Sam bei seiner Reise der Boden unter den Füßen weg, verrät Grünberg. Sam müsse erfahren, dass auf Kriegsboden andere Gesetze gelten und das eigene Leben nicht viel bedeutet.
Nicht nur, dass die Zuhörer während dem ersten Teil der Lesung gespannt den Textzeilen lauschten – ein sympathisch verbindlicher Grünberg plauderte im Laufe des Abends offen über seine Arbeit, seine Erfahrungen in Kriegsgebieten als auch seine (unpolitische aber werthaltige) Sicht auf die Dinge und ließ damit den Abend zu einem reichhaltigen Erlebnis werden.
Grünberg unterhielt nebenbei die Gäste etwa mit Details über sein neuestes Experiment, über das sogar schon die New York Times auf der Titelseite berichtete: Eine wissenschaftliche Arbeit mit einer noch geheimen Novelle. „Ich schreibe, während ich an Elektroden angeschlossen bin“, verrät er im Ripsdorfer Pfarrsaal. Die Gehirnströme, die Haut, der Herzschlag sollen zeigen, was dabei in ihm vorgeht. Das sei aber nur das halbe Experiment, das Experiment solle ebenfalls zeigen: „Was geschieht, wenn ein Leser ein Buch liest?“. In seinem Apartment sei er von beiden Seiten mit Kameras beobachtet worden, erinnert er sich mit einem Schmunzeln: „Ich habe mich danach noch tagelang beobachtet gefühlt in meinem eigenen Apartment, obwohl schon längst alles abgebaut war.“
Seit seinem Debüt 1994 mit dem Roman „Blauer Montag“, der gleich ein Bestseller wurde, hat der in den Niederlanden geborene Autor mehr als ein Dutzend Bücher veröffentlicht. Neben seinen literarischen Arbeiten schreibt der New Yorker Autor einen Blog, eine tägliche Kolumne für die Titelseite von „De Volkskrant“ und Theaterstücke.
Für sein neuestes Werk habe er wie immer viel und sorgfältig recherchiert, beispielsweise habe er mit großen Architekten gesprochen, berichtet er. Als „embedded journalist“ (ziviler Kriegsberichterstatter, der einer im Krieg kämpfenden Militäreinheit zugewiesen ist) sei er mehrfach für Reportagen über Soldaten im Irak und Afghanistan gewesen. Bei diesen Aufenthalten habe er so viele skurrile Sachen erlebt, dass das Anschauungsmaterial locker für dieses Buch gereicht habe. Beispielsweise seien im Buch die kleinen Kakerlaken im Apartment nicht an Kafka angelehnt, sondern an realen Erfahrungen, sagt der Autor an Claudia Hoffmann gewandt, die als charmante und exzellent vorbereitete Moderatorin zwischendurch Fragen an den Autor richtete. Sogar die neuesten Pläne konnten sie Lit.Eifel-Besucher Grünberg entlocken. Als nächstes Projekt will er ein Buch über seine Mutter schreiben, die in den Niederlanden lebt.
Ein fertiges Buch sei für ihn wie ein Abschied, verrät der umtriebige Autor: „Ich falle da in ein Loch, es bedrückt mich eher immer.“ Er müsse sofort mit neuem Buch anfangen, sonst sei eine zu große Leere da. Außerdem habe er so viele Ideen, die es sich umzusetzen lohne: „Die Wirklichkeit gibt einem dauernd Geschenke!“
pp/Agentur ProfiPress