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480 Euthanasieopfer beklagt

480 Euthanasieopfer beklagt
Szenische Lesung zur Deportation und Ermordung psychisch kranker Menschen anlässlich der Märtyerausstellung im Kloster Marienborn
Mechernich/Zülpich – Der inzwischen verstorbene Mechernicher Autor Hans-Josef Horchem, seines Zeichens Jurist, Terrorismusexperte und Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hamburg, hat im Jahre 2000 im renommierten Mittler-Verlag ein Buch über seine Erlebnisse in der Vorkriegs- und Kriegszeit herausgegeben. Darin schildert der gebürtige Mechernicher auch ausführlich seine Kindheit am Bleiberg.
Breiten Raum in den Schilderungen des engagierten Katholiken und Sozialdemokraten nehmen dabei die Unrechts- und Gräueltaten der Nazis an den Juden und Kriegsgefangenen, vor allem aber an den behinderten Menschen ein. Horchem schildert auch örtliche Fälle wie den von Werner S. aus Mechernich, der während es Euthanasieprogramms ermordet wurde, oder den von Anna R., die im Kreiskrankenhaus Mechernich zwangssterilisiert wurde, weil sie schulisch als zurückgeblieben galt, und die unmittelbar nach der Operation an einer Embolie verstarb.
Horchem widmete sich in seinem Buch “Kinder im Krieg” (ISBN 3-8132-0716-1) ausführlich dem Widerstand der deutschen Bevölkerung unter der Anleitung katholischer Bischofe wie des legendären “Löwen von Münster”, Erzbischof Galen. Und er schilderte die Ermordung von 480 psychisch kranken Erwachsenen, die im Zülpicher Kloster Marienborn gepflegt und behandelt worden waren.
Eine szenische Lesung im Rahmen der zurzeit im Kloster gezeigten Märtyrerausstellung erinnerte an diese Ermordeten. Wie es in einem aktuellen Bericht der Aachener KirchenZeitung heißt, kamen die psychisch kranken Opfer ursprünglich aus den Kreisen Schleiden, Monschau und Euskirchen ins Kloster Marienborn. Ihr Leben wurde von Hitler und seinen Medizinern für “lebensunwert” erklärt. Ihre psychischen Erkrankungen reichten dem Terrorregime als Legitimation, ihnen “den Gnadentod zu gewähren”, wie das zynisch hieß.
480 Erwachsene, davon 368 an einem einzigen Tag, dem 18. August 1942, wurden “in kriegsfreie Zonen des Reiches verlegt”, so der offizielle Jargon. Die 368 Deportierten vom 18. August 1942 wurden in der “Landesheilanstalt” Hadamar bei Limburg in der Gaskammer ermordet und in Krematorien verbrannt. Ihre Angehörigen bekamen Urnen und Beileidsbriefe mit erlogenen Todesursachen.
An die 480 Euthanasieopfer aus den Bistümern Aachen und Köln erinnerte jetzt eine szenische Lesung im Hermann-Josef-Saal des Klosters Marienborn. Es war eine von vier Rahmenveranstaltung der zurzeit in Marienborn gezeigten Märtyrerausstellung “Zeugen für Christus” des Prälaten Professor Dr. Helmut Moll über Glaubenszeugen des 20. Jahrhunderts, die unter totalitären Regimen, vor allem in Nationalsozialismus und Kommunismus, den Tod fanden.
Nicht den katholischen Märtyrerbegriff zu Grunde legend, so seien die ermordeten Patienten der Zülpicher Heil- und Pflegeanstalt im Kloster Marienborn doch “Märtyrer der Psychiatrie”, so die Marienborner Pflegedienstleiterin und Öffentlichkeitsarbeiterin Rosemarie Simonis.
Helmut Limper vom Zülpicher Geschichtsverein moderierte die szenische Lesung, an der mit seinem Sohn Max Limper und Petra Nartano Grupe aus Mechernich-Holzheim zwei Schauspieler sowie der Diakon und Rezitator Manfred Lang aus Mech3ernich-Lückerath mitwirkten.
Während Limper senior mit historischer Distanz durch das unfassbare Geschehen führte, lasen Max Limper und Manfred Lang abwechselnd Textfragmente aus amtlichen und kirchlichen Dokumenten, Briefen, Predigten, Zeitungsberichten und Zeugenaussagen, die den Zuhörern im proppenvollen Hermann-Josef-Saal unter die Haut gingen.
Höhepunkt war etwa in der Mitte des Lesungsabends der Auftritt Petra Nartano Grupes, die der verstorbenen Augenzeugin Schwester Maria Valeria Gesicht und Stimme gab, und der anschließende Auftritt von zehn Schülerinnen und Schülern des Zülpicher Frankengymnasiums, die einzeln vor das Publikum traten und jeweils eine/n der 480 Euthanasieopfer mit Name und Daten vorstellten.
pp/Agentur ProfiPress

Manfred Lang

26.02.2009